So, einmal tief durchatmen. Sie sitzt jetzt im Regionalexpress nach
Köln, wird dort in den ICE nach Frankfurt umsteigen und heute abend in
Lissabon landen. Ist nicht ganz so weit weg wie der Mars, aber weit
genug, um mal ein bisschen Ruhe zu haben.
Gestern hat sie ihren Koffer gepackt. Großkampftag. Der neue Rekord
liegt bei vier tränenreichen Nervenzusammenbrüchen, wobei der erste
bereits beim Online-Check-In stattfand. Noch genauer gesagt sogar noch
davor, als es nämlich darum ging, wo sie das machen müsse... bei der
Seite über die sie gebucht hat oder bei der Fluggesellschaft.
Ich war so liebenswürdig ihr die Passage auf der Seite des Reiseanbieters
zu zeigen, auf der sie persönlich nachlesen konnte, dass der Check-In
nur auf der Seite der Fluggesellschaft gemacht werden kann. Und dann kam
der nächste kurze Heulkrampf, denn sie "fliegt" mit dem ICE von Köln
nach Frankfurt über die Lufthansa und dann von Frankfurt nach Lissabon
mit der TAP. Und wo sollte sie denn jetzt einchecken?
Ich sagte ihr dann, dass sie den Flug mit Ausgangsflughafen Köln gebucht
hat, also solle sie es mal bei der Lufthansa veruchen, immerhin sei ja
auch die TAP Mitglied der Star Alliance, also würde die Lufthansa schon
was sagen, wenn sie sich da auch melden müsste. Ich wurde natürlich
angebrüllt. Immerhin hatte ich keine Quellenangabe gemacht und so ganz
ohne Herkunftsnachweis meines Wissens war es ja völlig unglaubwürdig.
Auch wenn ich am Ende Recht hatte.
Gut, das war also dann nach gut einer Stunde erledigt. Und dann fing sie
an, ihre Klamotten durchzuprobieren. Was passt noch, was sieht scheiße
aus, was nehem ich wirklich mit? Natürlich wurde ich zu jeder Auswahl
befragt und musste meine Meinung immer unwiderlegbar begründen. Ich
konnte es mir nicht verkneifen einmal ganz trocken "Das sieht scheiße
aus" zu sagen, was zum nächsten Nervenzusammenbruch führte. Tränen,
Geschrei und fliegende Socken waren das Ergebnis.
Sie kramte hier, sie kramte da... dann wurde dort noch was
zwischengelagert und hier noch was gesucht. Die Uhr tickte derweil
unerbittlich weiter. Inzwischen war es 18 Uhr und der Koffer, den sie
packen wollte lag noch immer in eine riesige Plastiktüte gehüllt auf dem
Schrank. Dabei war sie 14 Tage krankgeschrieben und hatte wahrlich alle
Zeit der Welt, diesen Kleinkram schon erledigt zu haben.
Stattdessen ging sie nun zum gefühlt siebzigsten Mal ihre 3-Seitige
Kofferpackliste durch. Darauf sind alle lebensnotwenigen Dinge vermerkt,
die auf jeden Fall mit in den Koffer müssen. Auf der zweiten Seite
stehen dann auch Unterwäsche und Socken, säuberlich getrennt nach Form,
Farbe und Größe. Jede Kleinigkeit ist vermerkt. Und trotzdem schafft
sie es NIEMALS ohne meine Hilfe ihren Koffer auch zu packen.
Das liegt alleine schon daran, dass sie mehr Geschenke, Mitbringsel und
Schokolade kauft, als sie mitnehmen kann. Und so war die Katastrophe
absehbar. In der Halbzeitpause des Endspiels musste ich zu ihr ins
Schlafzimmer kommen. Auf dem Bett der zugeklappte Koffer, der noch immer
10 Zentimeter offen stand. Sie war den Tränen nah und ich sollte das
ganze jetzt retten. Ich sagte ihr, was denn unbedingt mit in Urlaub
müsse und sei legte mir auf den geschlossenen Koffer nocheinmal so viele
Kleidungsstücke, wie jetzt schon zuviel im Koffer waren.
Die müssen auch mit! Ich sah sie an, sah sie mit dem nächsten
Zusammenbruch kämpfen und konnte mir nur mit angewandtem Sarkasmus
helfen. Ich riss die Arme nach oben, schwenkte sie über dem Koffer und
murmelte "higitus figitus migitus mum, prestodigitinium" bevor ich
schamloses Gelächter ausbrach. Sie hingegen war jenseits jeden
Verständnisses für meinen Humor und schrie mich an, dass das nicht
hilfreich sei. Der folgende Nervenzusammenbruch war der schlimmste.
An dieser Stelle sei eingefügt, dass jeder, der nicht weiß, worum es
geht, dringend mal den Disney-Klassiker Merlin und Mim sehen sollte.
Aber weiter in der Geschichte: wie packt man nun einen Koffer mit mehr
als dem volumenmäßig möglichen Inhalt. Ich sagte ihr also, dass sie sich
auf jeden Fall von einigen Dingen in ihrem Koffer würde trennen müssen.
Zum Beispiel von den 2 überflüssigen Deorollern, den überzähligen 4
Paketen Batterien... da war so einiges, was sie nur brauchen würde,
sollte das Flugzeug auf dem Meer runtergehen und sie allein auf einer
einsamen Insel stranden.
Nun gut, nach vielem hin und her war der Koffer dann zu und die meisten
Sachen auch drin, die rein sollten, also ab auf die Waage. Nicht nur das
Volumen ist ein Problem, auch das Gewicht. Allerdings hab ich da im
Laufe der Jahre ein gewisses Händchen für entwickelt und so zeigte die
Anzeige genau 23,5 Kg an, was nur 500 Gramm zuviel waren. Also die
Schokolade aus dem Koffer und es ist gut.
Die Schokolade und diverse Geschenke, Batterien und alles was rein
platztechnisch nicht im Koffer landete, kam also in einen Rucksack.
Immerhin darf man ja nochmal 8 Kg Handgepäck mitnehmen. Ich habe vom
Endspiel nicht viel mitbekommen, aber dass wir Weltmeister sind, hab ich
dann doch gesehen und durch Zufall auch das Tor, das dazu führte. Es
war nach 1 Uhr nachts, als endlich alles gepackt war.
7 Stunden Koffertetris. So schnell waren wir noch nie!
Made my Day!
AntwortenLöschenAls gelernte Reiseverkehrskauffrau kann ich zumindest den Teil mit dem Online Check-In sehr gut nachempfinden!