Freitag, 17. April 2015

Definieren Sie "URLAUB"

Donnerstag: 
 
Fahrt nach Kamen. Mehrstündiger Einkauf bei IKEA. Ankunft in Münster-Amelsbüren um 21 Uhr. Aufstellen der mitgebrachten Pflanzen. Verteilung der gekauften Übertöpfe für bereits vohandenes Zimmergrün.

Freitag: 

Einkaufen in Hiltrup. Anschließendes Aufbauen der gekauften IKEA-Möbel. Befestigen von abgefallenen Leisten. Bohren. Versuch des Aufhängens einer Garderobe. Fahrt in den toom Baumarkt nach Hiltrup. Besichtigung des Baumarktes in seiner vollen Ausdehnung. Kauf von zwei einzelnen Schrauben um die Garderobe anbringen zu können. Fahrt nach Amelsbüren. Aufhängen der Garderobe.

Samstag: 

Fahrt nach Münster City. (Details: http://co-habitantin.blogspot.de/2015/04/reise-den-rand-des-wahnsinns.html ) Heimfahrt nach Amelsbüren.

Sonntag: 

Zuschneiden von Bildern. Rahmen diverser Bilder. Herrichten diverser Dekorationsobjekte. Positionierung der Objekte. Mehrfach. Versehen der vorhandenen Stühle mit Sitzpolstern. Zuschnitt von Antirutschmatten. Befestigung loser Armlehnen an der Couch. Aufhängen eines Spiegels.

Montag:
 
Aufhängen der vorbereiteten Bilder als Gruppe. Putzen der großen Dachfenster in der Wohnung. Anbringen eines Wandbildes. Anbringen eines Kalenderhakens. Aufkleben dreier Korkuntersetzer als Pinwand. Nochmaliges Putzen unter ihrer Aufsicht, damit sie zukünftig auch ohne Hilfe die Fenster putzen kann.

Dienstag:
   
Heimfahrt. Mit Zwischenstopp. Ankunft gegen Mitternacht

 

          SIE: Und? Wie war dein Urlaub?

          ICH: Welcher Urlaub?

Reise an den Rand des Wahnsinns

Bevor ich meine Geschichte beginne, möchte ich als erstes die Stadt Münster in Schutz nehmen. Sie mag ein bisschen provinziell sein und sich einer Altstadt rühmen, die in ihrem heutigen "mittelalterlichen" Dasein den 50er Jahren entstammt, aber sie ist sicher eine Reise wert und hat mehr als eine sehenswerte Ecke. 

Wenn man allerdings Münster mit einer Außerirdischen besucht, färbt sich dieses generell angenehme Bild schnell in den schillernden Farben des Wahnsinns. Ich war mit ihr in Münster, aber das hatte weniger damit zu tun, dass sie mir die Stadt zeigen wollte, es ging mehr darum, dass ich ihr beibringen sollte, was sie anderen in der Stadt zeigen könnte. Ihre Kaffetantentruppe aus ehemaligen Mitarbeiterinnen hat sich nämlich spontan selbst zu einem Besuch in Münster eingeladen.

Nun, dann also auf in die Münsteraner Innenstadt. Mit der Eurobahn. Natürlich nicht, ohne mir in den 6 Minuten Fahrtzeit das gesamte Streckennetz inklusive aller erhältlichen Ticket-Tarife erklären lassen zu müssen. Der Hauptbahnhof in Münster ist momentan ein großes Loch vor den Gleisen und Bahnsteigen. Er wird gerade mehr oder weniger vollständig abgerissen und modern neu errichtet. Vor dem Bahnhof befinden sich an der mehrspurigen Hauptstraße diverse Bushaltestellen, aber bei deren erstem Anblick war mir noch nicht bewusst, wie sehr das meinen Tag noch bestimmen würde.

Wir spazierten also langsam in Richtung Touristen-Info, wo wir uns mit allen denkbaren Flyern, Stadtführern und Sehenswürdigkeits-Auflistungen ausrüsten ließen und gleich noch ein Kilo gleicher Broschüren auf Vorrat mitnahmen, damit diese dann für die Kaffeefahrt ihrer ehemaligen Arbeitskolleginnen auch direkt am Bahnhof schon bereit stünden. Vorerst schleppte sie die ja mit sich herum, also beachtete ich das gar nicht weiter.

Weiter ging es zum Domplatz auf dem "jeden Samstag ein sehenswerter Wochenmarkt stattfindet" und wer mich kennt, der weiß, wie sehr ich solche Menschenmassen, die sich durch zugestellte Gänge drängen, quälen und wurschteln, hasse. Der Markt hat sicher seine Reize und ja, ich fand ihn auch als Startpunkt für ihren Damenrunde ganz okay, aber ich hätte zu gerne darauf verzichtet, alle - ja, wirklich alle - Gänge mit Gemüse, Fleisch, Wurst, Fisch, Blumen und sogar lebenden Tieren abzugehen. Nur mit Mühe konnte ich sie dazu überreden, dann endlich das eigentliche Ziel zu betreten: den Münsteraner Dom.

An sich eine nette Kirche, bunter Mix aus Romanik und Gotik mit einigen sehr schönen Figuren und einer unglaublich interessanten astrologischen Uhr, die jeden Tag ein Glockenspiel mit Figurenumlauf präsentiert. Sollte man sich wirklich ansehen und wurde demnach auch sofort als einer der Punkte auf ihrer angestrebten Stadtführung vermerkt. Zeitlich sollte das der Start werden. Von dort aus hatte ich ihr - sie kann sowas einfach nicht -  einen kleinen, nicht allzu aufwändigen Rundgang durch die Altstadt aus den diversen Broschüren und Flyern zurechtgeschustert und führte sie von Kirche zu Kirche. Davon hat Münster wirklich einige und man muss zugeben, dass die meisten wirklich einen Zwischenstopp wert sind.

Entlang des Weges gab es auch Münsters bekanntestes Barockbauwerk, den Erbdrostenhof. Ihm direkt gegenüber gibt es eine kleine Burgerbraterei und eine klassische Konditorei mit gemütlichem Café. Zeitlich genau richtig für ein kleines Mittagessen. Nicht für uns, wir hatten bereits auf dem Markt gegessen, was ich euch tatsächlich nur unterschlagen habe, weil es den Rahmen sonst wahrhaftig sprengen würde. Sie wollte unbedingt die Speisekarte studieren und außerdem, wie lange hatten wir hierher gebraucht? Würde das in den Zeitplan passen? Wirklich? War ich mir da sicher? Die Zeit, die ich dazu brauchte, sie davon zu überzeugen, hätte locker ausgereicht einen Burger zu essen.

Nun, da es endlich weiter gehen konnte (glaubt ja nicht, dass sie am Ende des Tages auch nur ein einziges Gericht auf der Speisekarte noch hätte nennen können) hatte ich eine besondere Überraschung für sie, denn am Ende der Salzstraße gibt es ein bronzenes Miniaturmodell der Stadt für Blinde. Sie musste natürlich erstmal wissen, wo auf dem Plan wir denn nun stehen würden, wo wir gestartet waren und welche Wege wir gegangen waren und wo es noch lang gehen würde. Sie ist nicht blind, aber sie musste natürlich alle Gebäude mal abtasten. Schmecken, riechen, fühlen. Ohne kommt man nicht mal an einem Stadtplan vorbei.

Von dort aus ging es dann zu einer kleinen gotischen Kirche mit einem herrlichen geschnitzen Flügelaltar. Der Höhepunkt lag aber noch einige Meter weiter, denn dort befindet sich die Clemenskirche. Von außen ein unscheinbarer Backsteinbau in Rot, weist nur die Kuppel mit aufsitzender Laterne darauf hin, dass es hier wohl etwas zu entdecken gibt. Ich führte sie die wenigen Stufen zu der schmucklosen Holztüre und ließ sie eintreten. Ich wusste, dass sie das umwerfen würde. Ich genoss wirklich, dass sie einige Minuten absolut sprachlos an die Decke und Wände der reich verzierten Barockkapelle sah. Von leuchtenden Farben und vergoldeten Roccaillen fast erschlagen stand sie mit dem Kopf im Nacken am Gitter, das den Kirchenraum abschloss.

Das würde auch bei ihren Kaffeekolleginnen ankommen, da war ich mir sicher. Von dort aus ging es dann noch auf den Prinzipalmarkt und in die Münster-Arkaden. Damit sollte die Tour enden. Also zumindest die mit ihren Ex-Kolleginnen. Ein bisschen Shopping und Sightseeing und dann ab zurück zum Bahnhof und nach Hause. Tja, ich bin manchmal wirklich naiv zu glauben, dass ein Tag so reibungslos laufen kann. Wir waren ja erst gute 4 Stunden durch die Stadt gelaufen. 

Wenn sie denn nun keine Lust auf Stadt hätten? Wenn das Wetter nicht gut war? Wenn es zu gut war? Was dann? Ich lächte. Und was wenn die Welt untergeht oder Münster vom Erdbden verschluckt wird? Manchmal kann sie mich fertig machen. Also wanderten wir zum Aegidiplatz, um dort einen Bus zu nehmen. Zwei Stationen zum Aasee. Falls gutes Wetter wäre. Da könne man ja dann was essen und um den See wandern. Am Aasee-Ufer gibt es einen Bootsverleih, die Haltstelle für den Wasserbus (ein Solarboot, das einmal längs durch den See zum Alwetterzoo fährt) und wie lange bräuchte man wohl um um den See zu wandern? Das galt es als wichtigstes zu erforschen.

Also spazierten wir am Ufer entlang. Nicht zu schnell, denn einige ihrer Kaffeetanten sind schon jenseits der Rente und nicht mehr so fit auf dem Fuß. Gemütlich wanderten wir nach Stunden wandern durch die Innenstadt auch noch um den See. Zumindest um ein Viertel des Sees. Und weil die Sonne so schön schien, setzten wir uns auf ein Parkbank und ließen uns von den Strahlen wärmen. Bis ihr panisch einfiel, dass sie nicht auf die Uhr gesehen hatte. Oh mein Gott, wie lange hatten wir hier gesessen? Waren wir 15 Minuten bis hier gelaufen der waren es 20? Hatten wir 5 Minuten gesessen oder länger? Den Tränen nahe fluchte sie und schimpfte mit mir, weil ich das nicht bedacht hatte.

Mir ging das dermaßen an meinem süßen Hinterteil vorbei, aber da ich die aufkeimende Panik in ihren Augen sah, verkniff ich mir jeden bissigen Kommentar und beruhigte sie, dass wir sicher nicht länger als 5 Minuten gesessen hätten. Sicher? Wirklich? Aber war das nich zu kurz? Da war doch so eine Ente gewesen (ein Haubentaucher, keine Ente!) und die hatte ein Nest gebaut und hatten wir da nicht länger als 5 Minuten zugesehen? Ich redete mir den Mund fusselig, bis sie mir glaubte und wir unseren Spaziergang fortsetzen konnten. Wir wanderten bis hinter die Brücke, die den Aasee ziemlich genau in der Mitte überquert.

Hier gab es dann alternativ, falls die Stadt und der See wider Erwarten nicht ausreichen sollten, noch ein Freilichtmuseum und den Allwetterzoo, der auch bei schlechtem Wetter als Ziel taugen würde. Ich war erleichtert, dass wir das beides nicht auch noch besuchen mussten. Die Sonne war inzwischen hinter dichten Wolken verschwunden. Es wurde dunkel und kalt, was ich dazu nutzte, sie zu einer Bushaltestelle zu dirigieren, von der aus wir in die Innenstadt zurück fahren könnten. Der nächste Bus kam weniger als eine Minute später und wir landeten glücklich (also zumindest was mich betraf) wieder am Bahnhof.

Wir strandeten an einer der Bushaltestellen, die ich weiter oben schon erwähnt hatte. Sie musste sofort nachsehen, welche Haltestelle sie denn nehmen müsse, um den Bus zu der Stelle zu nehmen, von der wir losgefahren waren. Ihrer Logik nach musste die auf der anderen Straßenseite liegen. Tat sie aber nicht. Der Bus hielt nur auf unserer Seite. Aber das könne ja gar nicht sein. Ich zeigte ihr den Haltestellenplan, an dem man sehen konnte, an welcher Stelle welcher Bus mit welcher Fahrtrichtung halten würde und der Bus der Linie 3 kam nur einmal auf dem Plan vor. Nein, der Plan muss falsch sein. Der muss zweimal vorkommen.

Tat er aber nicht, was mir auch einleuchtete, hatte ich mir doch inzwischen das Liniennetz angesehen und festgestellt, dass diese Linie hier endete oder auch begann. Warum als sollte sie dann zwei Haltestellen haben? Irgendwie gelang es mir nicht, ihr das klar zu machen. Sie weigerte sich etwas als wahr anzunehmen, das so gar nicht in ihr Weltbild passte. Ich versuchte in aller Ruhe ihr zu erklären, warum es diesen Bus nur einmal gab, aber sie verstand das nicht. Inzwischen schauten uns schon die umstehenden Menschen an, weil sie dazu übergegangen war, mich anzuschreien. Ich versuchte nicht zu lächeln oder zu grinsen und ließ sie Zeter und Mordio schreien bis ihr die Luft ausging.

Dann versuchte ich es noch einmal mit einer Erklärung, kam aber über die ersten zwei Worte nicht hinaus, zuckte mit den Schultern, drehte mich um und wanderte langsam in Richtung Bahnhof. Sie rief mir hinterher, aber ich ging einfach weiter. Es gibt einfach einen Punkt, an dem es keinen Sinn mehr macht, ihr noch etwas erklären zu wollen. Bis heute ist sie sich sicher, ich habe sie mit dem Fahrplan der Linie 3 angelogen um meine Ruhe zu haben. Hätte ich das mal getan. Das wäre sicher einfacher gewesen.

Um halb neun waren wir dann endlich wieder bei ihr in der Wohnung angekommen, wo ich ihr unseren Weg durch die Stadt in einem kleinen Stadtplan einzeichnen musste, bevor sie endlich halbwegs zufrieden war. Natürlich inklusive der Stellen, an denen es etwas zu sehen gab und auch was es dort zu sehen gab und wo sie Informationen dazu finden konnte. Es war so gegen 21 Uhr, als ich den Stift weglegte. Ich bin ein unglaublich gelassener Mensch, denn ich hab sie nicht erschlagen, als sie mich anlächelte und fragte: Und? Wie hat dir unser Tag in Münster gefallen? Ist doch ein schöner Urlaub, oder?

Sonntag, 5. April 2015

Der theoretische Käse

Manchmal muss ich wirklich an mich halten, um nicht in schallendes Gelächter auszubrechen. Auch wenn ich eigentlich immer gleich verstehe, worauf sie hinaus will - wahrscheinlich angeborenes intergalakties Sprachtalent oder so - würde sie die meisten Menschen zur Verzweiflung bringen mit ihren verwirrenden Aussagen.

Donnerstag beim Einkauf habe ich Käse mitgenommen. Ziegenkäse. Daraus mache ich eine leckere Soße für meinen Brokkoli. Nun, eigentlich täte das hier nichts zur Sache, aber das wird gleich noch einen Sinn ergeben, versprochen.

Nach dem Einkauf saßen wir im Auto auf dem Weg nach Hause. An der roten Ampel dreht sie sich zu mir um: "Du hast Ziegenkäse gekauft, hab ich gesehen. Ich wollte noch sagen, es ist ein theoretischer Ziegenkäse im Rucksack." Intuitiv war mir schon klar, was sie meinte, aber die Formulierung ist echt einzigartig.

Und sie ließe einigen Raum für Spekulationen, denn entweder

1. der Käse hat ein Problem mit seiner Selbstwahrnehmung und ist sich einfach nicht sicher, ob er ein Käse ist oder nicht,

oder

2. der Käse war vor seinem in den Rucksack gepackt werden noch eine Flasche Ziegenmilch,

am wahrscheinlichsten war aber,

3. dass sie sich nicht zu 100% sicher war, den Käse tatsächlich in den Rucksack gepackt zu haben, bevor sie aus Münster hier her kam.

Es war natürlich Punkt 3. Der Ziegenkäse war aber tatsächlich in besagter Rückentragetasche und das, obwohl sie ihre Theorien nicht immer erfolgreich in die Praxis umsetzen kann. Ein theoretischer Büffelmozzarella hatte es nämlich vor nicht allzu langer Zeit nicht aus dem Kühlschrank in den Rucksack geschafft...