Dienstag, 15. Juli 2014

7:34 - Teil 1

Samstag. Früh aus dem Bett, ein kleines Frühstück und dann auf in meine Lieblings-Einkaufs-Stadt Aachen. Ich bin da so gerne, dass ich die letzten 2 Jahre nicht mehr da war. Es gibt wahrscheinlich keine andere Stadt auf der Welt, in der ich mich weniger gern aufhalte. Und das liegt vielleicht auch ein bisschen an den Aachenern und ihrer Einstellung dem Umland gegenüber.

Ich wusste schon seit längerer Zeit, dass dieser Tag kommen würde. Einkaufen in Aachen. Klamotten für die Silberhochzeit ihrer Schwester. Ich hatte mir ungefähr 1000 Möglichkeiten überlegt, wie ich vielleicht doch noch aus der ganzen Sache heraus können könnte, aber letzten Endes wollte ich mir dann doch nicht das Bein brechen oder mir in den Oberschenkel schießen, was schon an einer fehlenden Waffe gescheitert wäre...

Also auf nach Aachen. Mit dem Auto, nachdem wir festgestellt hatten, dass es mit dem Bus teurer würde, als in Aachen 24 Stunden zu parken. Also einmal quer durch Deutschlands Autofahrer-unfreundlichste Stadt und zum Parkhaus hinter dem Kaufhof. Parkdeck 4. Etage, runter ins Foyer und dann in den Kaufhof. Dort sollte unsere vorprogrammierte Odyssee beginnen. Die Luft trug noch die Wärme des Freitags in sich und auch den Duft abgestandener Luft. Mit der Rolltreppe in die Abteilung für Damen-Oberbekleidung.

Schon auf den ersten Blick sah ich, dass es nicht einfach werden würde, aber das durchaus Hoffnung bestand, ein geeignetes Outfit zu finden. In der Ecke mit den hochwertigeren Marken fanden wir auf Anhieb einen Rock, der ihr gefiel. Ich musste ihr zwar dafür zwei andere Röcke ausreden, aber wenigstens kennt sie meine Tricks nicht und lässt sich ganz gut von mir lenken.

Das ist nämlich so: Frauen haben immer eine Idealvorstellung im Kopf, die sich aber nie und nimmer erfüllen lässt. Und wenn, dann ist das wie Sechs richtige im Lotto. Um also zu Ziel zu kommen, muss man ein bisschen Geschick in der psychologischen Manipulation besitzen. Ab hier sollten die Damen mal das Lesen ihren Männern überlassen...

Zu allererst müsst ihr Jungs wissen, was eure Mädels wollen. Und einfaches Ausreden funktioniert nicht. Ich erkläre es euch mal ganz exemplarisch an vorliegendem Fall. Meine Co-Habitantin hatte einen Einteiler im Kopf. Ein Jumpsuit mit locker fallendem Oberteil um ihre Problemzonen zu kaschieren. So einen zu finden, wenn man danach sucht ist bekanntlich unmöglich. Plan B war also eine schwarze, feine Hose mit möglichst weißer Bluse. Also würde sie wie ein Kellner aussehen, weil sie sowieso eher burschikos als feminin wirkt.

Als erstes muss man ihr also 2 bis 3 Outfits zeigen, die absolut indiskutabel sind. Natürlich wird sie diese empört ablehnen, aber gleichzeitig bereitet das alles weitere vor, denn diese Enttäuschung zu Beginn wird ihre Ansprüche senken und sie anderen Dingen gegenüber offener machen. Das ist schon mal die beste Grundvoraussetzung für den erfolgreichen Einkauf. Gerade wenn es um Kleidung oder Schuhe geht. Als nächstes lässt man sie dann ein Outfit aussuchen, ohne sie in irgendeiner Weise zu beeinflussen.

Und jetzt kommt etwas, dass den Jungs echt schwer fallen wird, was man sich aber aneignen muss, um sein Mädel glücklich in ein neues Outfit zu bekommen. Ihr müsst ihre Größen kennen. Das ist das A und O, denn wenn sie in der Umkleide das erste Ensemble anprobiert, habt ihr sie genau da, wo sie sein sollte: halbnackt in der Umkleide. Nein! Kinder, warum habt ihr nur alle eine so versaute Fantasie? Es geht einfach darum, sie in der Umkleide beschäftigt zu halten, indem man immer neue Outfits bringt.

Dabei kommt es auf die Reihenfolge an. Am einfachsten ist es, wenn sie bereits ein Teil gefunden hat, dass ihr wirklich gefällt. In unserem Fall war das ein Rock aus Seide. Schwarz mit weißen Quadraten. Der saß perfekt, bedeckte wie gewünscht ihre Knie und die darauf befindlichen Narben einer verstolperten Kindheit. Darauf sollte man immer aufbauen. Frauen sind Jäger und wenn sie erfolgreich eine Beute erlegt haben, geben sie das Teil so schnell nicht wieder auf.

Also hieß es dann für mich, ein passendes Oberteil finden. Ich stöberte also als unübersehbarer Mann durch die Damenabteilung und sammelte fleissig die passenden Oberteile zusammen, wobei ich auch hier eine gewissen Vorauswahl traf. Immerhin kennt man nach jahrelangem gemeinsamem Shopping die absoluten No-Gos und Vorlieben. Zuerst nahm ich jedoch drei nicht so vorteilhafte Blusen. Das würde sie für anderes offener machen.

Tatsächlich lehnte sie wie erwartet alle Teile ab und ich brachte die nächsten. Zuerst ein schlichtes schwarzes Teil, das mir ganz gut gefiel, aber natürlich zu einem schwarzen Rock ein bisschen zu dunkel sein würde. Es stand ihr super, passte zum Rock und wäre perfekt gewesen, wenn man etwas für eine Beerdigung gesucht hätte, aber ihre Schwester und ihr Schwager sind sehr glücklich verheiratet, also wäre das wirklich unangebracht.

Ich hatte noch ein weiteres Teil mitgebracht, aber andere Teile bewusst hängen gelassen auch wenn sie mir ganz gut gefielen. Denn nun musste noch ein absolutes Un-Teil kommen. Eine Bluse, die einfach nur unförmig an ihrem Körper saß. Bei meiner letzten Tour hatte ich zwei Blusen die mir gefiellen - bei denen ich aber wusste sie würde sie niemals anprobieren, wenn ich damit ankam - gut sichtbar nach vorne ins Regal und an einen Kleiderständer gehängt. Deshalb also das Un-Teil, denn das würde sie nach dem guten, aber eben schwarzen Oberteil anstacheln, noch einmal selbst auf Beutezug zu gehen.

Alles was ich nun zu tun hatte, war auf ihre Sachen aufpassen, während sie auf Socken durch die Regale streifte und tatsächlich mit 4 Blusen zurück kam, darunter die Zwei, die ich bewusst in ihr Sichtfeld gehängt hatte. Ich nahm sie ihr ab und hänge sie in einer bestimmten Reihenfolge in die Umkleide. Die Bluse, die ich favorisierte als unterste, so dass sie diese als letzte anziehen würde. Auch das ist ein kleiner Trick, denn diese 4 Blusen hatte ich so sortiert, dass die von schlecht zu perfekt passend an der Garderobenwand hingen. Die erste Bluse war eine dunkelrote, die nie und nimmer zum Rock passen würde, von der ich jedoch wusste, dass sie ihr perfekt stehen würde.

Und so war es auch. Sie gefiel ihr und ich spürte, wie sie begann sich vom Rock zu verabschieden. Die Bluse wurde auf die Seite gehangen, denn sie gefiel ihr zu gut um sie einfach aufzugeben. Vielleicht müsste sie doch noch von Rock auf Hose umstellen. Aber da waren ja noch 3 weitere Blusen. Die nächste sah ganz okay aus zu dem Rock, aber sie war nicht der Renner. Die dritte war schon besser, aber der Stoff fiel nicht ganz so günstig über ihre Problemstellen.

Zuletzt dann eine Bluse mit schwarzen Kristallen am engen Halsausschnitt. Diese Kristalle wären normalerweise ein absolutes Ausschlusskriterium für sie gewesen, aber durch meine kleine Manipulation mit dem Un-Teil war sie über ihre sonstigen Abneigungen einmal hinweg gegangen. Und genau das war es. Perfekt. Leicht, luftig, edel, die ideale Ergänzung zum Rock. Ich sagte nichts. Sah zu, wie sie sich im Spiegel betrachtete und wusste: ich hab gewonnen.

Ja, das wird ihr Outfit für die Silberhochzeit. Sie fragte mich nach meiner Meinung und ich bemühte mich, nicht zu viel Zufriedenheit an den Tag zu legen, um sie nicht misstrauisch zu machen. Aber ich bestätigte ihr, dass "sie" ein tolles Oberteil ausgesucht hatte. Ich durfte dann die angesammelten Blusen auf den Ständer am Eingang zu den Umkleiden ablegen und wurde sofort beauftragt, eine passende Hose zu der schönen dunkelroten Bluse zu suchen.

Ich machte mich also wieder auf den Weg durch die Abteilung, wobei ich wie vorher schon mehrfach von den anwesenden Verkäuferinnen teils neugierig, teils misstrauisch beäugt wurde. Aber daran hatte ich mich in den letzten Jahren schon gewöhnt. Ich brachte ihr also eine weiße Jeans, dann eine beige Capri-Hose und eine 7/8-Hose in Khaki. Alle drei passten sehr gut zur Bluse,  aber als sie sich so in der beigen Hose sah, fiel ihr ein, dass sie so eine ähnliche noch im Kleiderschrank hatte. Und die hatte sie noch nie wirklich angehabt. Es blieb also bei der Bluse. Ich war zufrieden.

Danach ging es in die Kinderabteilung, immerhin suchte sie noch nach den passenden Geschenken für ihre Nichten. Eigentlich war schon klar, was es werden sollte. Eine Lego-Box für Mädchen, mit Bausteinen für ein rosarotes Schloss. Trotzdem brauchte sie eine halbe Stunde, um sich dann auch tatsächlich dafür zu entscheiden. Sie wollte schon weiter in die Wäscheabteilung, ich  bestand aber darauf, erstmal einen Espresso trinken zu gehen und ein bisschen frische Luft zu schnappen, bevor wir die anderen Dinge auf ihrer über Nacht noch erheblich angewachsenen Einkaufsliste besorgten.

Als wir also um 13 Uhr 28 unseren Kaffee hatten, wähnte ich mich bereits auf der sicheren Seite. Das war ein neuer Rekord. Nur zwei Stunden bis zu einem perfekten Outfit. So schnell waren wir noch nie. Wir tranken zwei kurze schwarze und ein Wasser, bevor wir uns zu Teddy & Co. aufmachten, um eine Prinzessinenkrone für ihre Nichte zu kaufen. Natürlich gab es keine wirklich schöne, nur eine sehr primitive zu einem unverschämt hohen Preis.

Nun ja, dann also keine Krone. Weiter zur Mayerschen Buchhandlung, dem einzigen Ort in Aachen, dem ich ehrlich etwas positives abgewinnen kann. Sie brauchte noch ein bisschen deutschsprachigen Lesestoff für ihre in Portugal lebende Schwester, was man sicher in einer Buchhandlung finden würde, wenn man denn wenigstens ansatzweise wüsste, was für eine Art Buch es denn sein soll. Nun, ich wanderte also langsam in die Leseecke in der ersten Etage, schaute dort einmal in den aktuellen Katalog, suchte mir einige Leseproben aus und warte darauf, dass meine  Co-Habitantin mich wiederfindet, nachdem sie zwischen irgendwelchen Regalen untergetaucht war.

Während sie also noch immer ohne jegliche Idee und mit bereits leicht verzweifelten Gesichtsausdruck auf mich zu kam, hatte ich zwei Bücher ausgesucht, die ihrer Schwester sicher gefallen würden. Ich pries ihr also beide Bücher an und sie entschied sich überraschend spontan für das erste. Nur, wo zum Teufel findet man das? Sie sprang auf und suchte nach einem Mitarbeiter, ich bewegte mich gelassen zu den mit „Romane, Autorennamen A-B“ betitelten Regalen und zog das Buch auf Anhieb aus dem obersten Regal.

Dieses wurde also gekauft. Und dann kam das beste am Tag. Der Besuch der Saftbar. Frisch gepresste Säfte mit Pfiff an einer Theke mitten in der Buchhandlung, dazu Life-Musik auf dem Klavier in der ersten Etage. Ich hatte einen Apfel-Möhre-Ingwer-Saft, von oben erklang „Comptine d'un autre été“, so muss das Leben sein. Dieser wertvolle Moment der Ruhe ging viel zu schnell vorbei.

Wie es weitergeht lest ihr dann in den nächsten Tagen und ich kann euch versprechen, der zweite Teil wird wieder alles haben: Drama, Verzweiflung, Kampf und Nervenzusammenbrüche...

Keine Kommentare:

Kommentar veröffentlichen

Kommentare werden auf verbotene Werbung geprüft, bevor sie veröffentlicht werden, das kann bis zu 48 Stunden dauern. Herabwürdigende Kommentare werden nicht veröffentlicht.