Samstag. Früh aus dem Bett, ein kleines Frühstück und dann auf in meine
Lieblings-Einkaufs-Stadt Aachen. Ich bin da so gerne, dass ich die
letzten 2 Jahre nicht mehr da war. Es gibt wahrscheinlich keine andere
Stadt auf der Welt, in der ich mich weniger gern aufhalte. Und das liegt
vielleicht auch ein bisschen an den Aachenern und ihrer Einstellung dem
Umland gegenüber.
Ich wusste schon seit längerer Zeit, dass
dieser Tag kommen würde. Einkaufen in Aachen. Klamotten für die
Silberhochzeit ihrer Schwester. Ich hatte mir ungefähr 1000
Möglichkeiten überlegt, wie ich vielleicht doch noch aus der ganzen
Sache heraus können könnte, aber letzten Endes wollte ich mir dann doch
nicht das Bein brechen oder mir in den Oberschenkel schießen, was schon
an einer fehlenden Waffe gescheitert wäre...
Also auf nach
Aachen. Mit dem Auto, nachdem wir festgestellt hatten, dass es mit dem
Bus teurer würde, als in Aachen 24 Stunden zu parken. Also einmal quer
durch Deutschlands Autofahrer-unfreundlichste Stadt und zum Parkhaus
hinter dem Kaufhof. Parkdeck 4. Etage, runter ins Foyer und dann in den
Kaufhof. Dort sollte unsere vorprogrammierte Odyssee beginnen. Die Luft
trug noch die Wärme des Freitags in sich und auch den Duft abgestandener
Luft. Mit der Rolltreppe in die Abteilung für Damen-Oberbekleidung.
Schon
auf den ersten Blick sah ich, dass es nicht einfach werden würde, aber
das durchaus Hoffnung bestand, ein geeignetes Outfit zu finden. In der
Ecke mit den hochwertigeren Marken fanden wir auf Anhieb einen Rock, der
ihr gefiel. Ich musste ihr zwar dafür zwei andere Röcke ausreden, aber
wenigstens kennt sie meine Tricks nicht und lässt sich ganz gut von mir
lenken.
Das ist nämlich so: Frauen haben immer eine
Idealvorstellung im Kopf, die sich aber nie und nimmer erfüllen lässt.
Und wenn, dann ist das wie Sechs richtige im Lotto. Um also zu Ziel zu
kommen, muss man ein bisschen Geschick in der psychologischen
Manipulation besitzen. Ab hier sollten die Damen mal das Lesen ihren
Männern überlassen...
Zu allererst müsst ihr Jungs wissen, was
eure Mädels wollen. Und einfaches Ausreden funktioniert nicht. Ich
erkläre es euch mal ganz exemplarisch an vorliegendem Fall. Meine
Co-Habitantin hatte einen Einteiler im Kopf. Ein Jumpsuit mit locker
fallendem Oberteil um ihre Problemzonen zu kaschieren. So einen zu
finden, wenn man danach sucht ist bekanntlich unmöglich. Plan B war also
eine schwarze, feine Hose mit möglichst weißer Bluse. Also würde sie
wie ein Kellner aussehen, weil sie sowieso eher burschikos als feminin
wirkt.
Als erstes muss man ihr also 2 bis 3 Outfits zeigen, die
absolut indiskutabel sind. Natürlich wird sie diese empört ablehnen,
aber gleichzeitig bereitet das alles weitere vor, denn diese
Enttäuschung zu Beginn wird ihre Ansprüche senken und sie anderen Dingen
gegenüber offener machen. Das ist schon mal die beste
Grundvoraussetzung für den erfolgreichen Einkauf. Gerade wenn es um
Kleidung oder Schuhe geht. Als nächstes lässt man sie dann ein Outfit
aussuchen, ohne sie in irgendeiner Weise zu beeinflussen.
Und
jetzt kommt etwas, dass den Jungs echt schwer fallen wird, was man sich
aber aneignen muss, um sein Mädel glücklich in ein neues Outfit zu
bekommen. Ihr müsst ihre Größen kennen. Das ist das A und O, denn wenn
sie in der Umkleide das erste Ensemble anprobiert, habt ihr sie genau
da, wo sie sein sollte: halbnackt in der Umkleide. Nein! Kinder, warum
habt ihr nur alle eine so versaute Fantasie? Es geht einfach darum, sie
in der Umkleide beschäftigt zu halten, indem man immer neue Outfits
bringt.
Dabei kommt es auf die Reihenfolge an. Am einfachsten
ist es, wenn sie bereits ein Teil gefunden hat, dass ihr wirklich
gefällt. In unserem Fall war das ein Rock aus Seide. Schwarz mit weißen
Quadraten. Der saß perfekt, bedeckte wie gewünscht ihre Knie und die
darauf befindlichen Narben einer verstolperten Kindheit. Darauf sollte
man immer aufbauen. Frauen sind Jäger und wenn sie erfolgreich eine
Beute erlegt haben, geben sie das Teil so schnell nicht wieder auf.
Also
hieß es dann für mich, ein passendes Oberteil finden. Ich stöberte also
als unübersehbarer Mann durch die Damenabteilung und sammelte fleissig
die passenden Oberteile zusammen, wobei ich auch hier eine gewissen
Vorauswahl traf. Immerhin kennt man nach jahrelangem gemeinsamem
Shopping die absoluten No-Gos und Vorlieben. Zuerst nahm ich jedoch drei
nicht so vorteilhafte Blusen. Das würde sie für anderes offener machen.
Tatsächlich
lehnte sie wie erwartet alle Teile ab und ich brachte die nächsten.
Zuerst ein schlichtes schwarzes Teil, das mir ganz gut gefiel, aber
natürlich zu einem schwarzen Rock ein bisschen zu dunkel sein würde. Es
stand ihr super, passte zum Rock und wäre perfekt gewesen, wenn man
etwas für eine Beerdigung gesucht hätte, aber ihre Schwester und ihr
Schwager sind sehr glücklich verheiratet, also wäre das wirklich
unangebracht.
Ich hatte noch ein weiteres Teil mitgebracht, aber
andere Teile bewusst hängen gelassen auch wenn sie mir ganz gut
gefielen. Denn nun musste noch ein absolutes Un-Teil kommen. Eine Bluse,
die einfach nur unförmig an ihrem Körper saß. Bei meiner letzten Tour
hatte ich zwei Blusen die mir gefiellen - bei denen ich aber wusste sie
würde sie niemals anprobieren, wenn ich damit ankam - gut sichtbar nach
vorne ins Regal und an einen Kleiderständer gehängt. Deshalb also das
Un-Teil, denn das würde sie nach dem guten, aber eben schwarzen Oberteil
anstacheln, noch einmal selbst auf Beutezug zu gehen.
Alles was
ich nun zu tun hatte, war auf ihre Sachen aufpassen, während sie auf
Socken durch die Regale streifte und tatsächlich mit 4 Blusen zurück
kam, darunter die Zwei, die ich bewusst in ihr Sichtfeld gehängt hatte.
Ich nahm sie ihr ab und hänge sie in einer bestimmten Reihenfolge in die
Umkleide. Die Bluse, die ich favorisierte als unterste, so dass sie
diese als letzte anziehen würde. Auch das ist ein kleiner Trick, denn
diese 4 Blusen hatte ich so sortiert, dass die von schlecht zu perfekt
passend an der Garderobenwand hingen. Die erste Bluse war eine
dunkelrote, die nie und nimmer zum Rock passen würde, von der ich jedoch
wusste, dass sie ihr perfekt stehen würde.
Und so war es auch.
Sie gefiel ihr und ich spürte, wie sie begann sich vom Rock zu
verabschieden. Die Bluse wurde auf die Seite gehangen, denn sie gefiel
ihr zu gut um sie einfach aufzugeben. Vielleicht müsste sie doch noch von Rock auf Hose umstellen. Aber
da waren ja noch 3 weitere Blusen. Die nächste sah ganz okay aus zu dem
Rock, aber sie war nicht der Renner. Die dritte war schon besser, aber
der Stoff fiel nicht ganz so günstig über ihre Problemstellen.
Zuletzt
dann eine Bluse mit schwarzen Kristallen am engen Halsausschnitt. Diese
Kristalle wären normalerweise ein absolutes Ausschlusskriterium für sie
gewesen, aber durch meine kleine Manipulation mit dem Un-Teil war sie
über ihre sonstigen Abneigungen einmal hinweg gegangen. Und genau das
war es. Perfekt. Leicht, luftig, edel, die ideale Ergänzung zum Rock.
Ich sagte nichts. Sah zu, wie sie sich im Spiegel betrachtete und
wusste: ich hab gewonnen.
Ja, das wird ihr Outfit für die
Silberhochzeit. Sie fragte mich nach meiner Meinung und ich bemühte
mich, nicht zu viel Zufriedenheit an den Tag zu legen, um sie nicht
misstrauisch zu machen. Aber ich bestätigte ihr, dass "sie" ein tolles
Oberteil ausgesucht hatte. Ich durfte dann die angesammelten Blusen auf
den Ständer am Eingang zu den Umkleiden ablegen und wurde sofort
beauftragt, eine passende Hose zu der schönen dunkelroten Bluse zu
suchen.
Ich machte mich also wieder auf den Weg durch die
Abteilung, wobei ich wie vorher schon mehrfach von den anwesenden
Verkäuferinnen teils neugierig, teils misstrauisch beäugt wurde. Aber
daran hatte ich mich in den letzten Jahren schon gewöhnt. Ich brachte
ihr also eine weiße Jeans, dann eine beige Capri-Hose und eine 7/8-Hose
in Khaki. Alle drei passten sehr gut zur Bluse, aber als sie sich so in
der beigen Hose sah, fiel ihr ein, dass sie so eine ähnliche noch im
Kleiderschrank hatte. Und die hatte sie noch nie wirklich angehabt. Es
blieb also bei der Bluse. Ich war zufrieden.
Danach ging es in
die Kinderabteilung, immerhin suchte sie noch nach den passenden
Geschenken für ihre Nichten. Eigentlich war schon klar, was es werden
sollte. Eine Lego-Box für Mädchen, mit Bausteinen für ein rosarotes
Schloss. Trotzdem brauchte sie eine halbe Stunde, um sich dann auch
tatsächlich dafür zu entscheiden. Sie wollte schon weiter in die
Wäscheabteilung, ich bestand aber darauf, erstmal einen Espresso
trinken zu gehen und ein bisschen frische Luft zu schnappen, bevor wir
die anderen Dinge auf ihrer über Nacht noch erheblich angewachsenen
Einkaufsliste besorgten.
Als wir also um 13 Uhr 28 unseren Kaffee
hatten, wähnte ich mich bereits auf der sicheren Seite. Das war ein
neuer Rekord. Nur zwei Stunden bis zu einem perfekten Outfit. So schnell
waren wir noch nie. Wir tranken zwei kurze schwarze und ein Wasser,
bevor wir uns zu Teddy & Co. aufmachten, um eine Prinzessinenkrone
für ihre Nichte zu kaufen. Natürlich gab es keine wirklich schöne, nur
eine sehr primitive zu einem unverschämt hohen Preis.
Nun ja,
dann also keine Krone. Weiter zur Mayerschen Buchhandlung, dem einzigen
Ort in Aachen, dem ich ehrlich etwas positives abgewinnen kann. Sie
brauchte noch ein bisschen deutschsprachigen Lesestoff für ihre in
Portugal lebende Schwester, was man sicher in einer Buchhandlung finden
würde, wenn man denn wenigstens ansatzweise wüsste, was für eine Art
Buch es denn sein soll. Nun, ich wanderte also langsam in die Leseecke in
der ersten Etage, schaute dort einmal in den aktuellen Katalog, suchte mir
einige Leseproben aus und warte darauf, dass meine Co-Habitantin mich
wiederfindet, nachdem sie zwischen irgendwelchen Regalen untergetaucht
war.
Während sie also noch immer ohne jegliche Idee und mit
bereits leicht verzweifelten Gesichtsausdruck auf mich zu kam, hatte ich
zwei Bücher ausgesucht, die ihrer Schwester sicher gefallen würden. Ich
pries ihr also beide Bücher an und sie entschied sich überraschend
spontan für das erste. Nur, wo zum Teufel findet man das? Sie sprang auf
und suchte nach einem Mitarbeiter, ich bewegte mich gelassen zu den mit
„Romane, Autorennamen A-B“ betitelten Regalen und zog das Buch auf
Anhieb aus dem obersten Regal.
Dieses wurde also gekauft. Und
dann kam das beste am Tag. Der Besuch der Saftbar. Frisch gepresste
Säfte mit Pfiff an einer Theke mitten in der Buchhandlung, dazu
Life-Musik auf dem Klavier in der ersten Etage. Ich hatte einen
Apfel-Möhre-Ingwer-Saft, von oben erklang „Comptine d'un autre été“, so
muss das Leben sein. Dieser wertvolle Moment der Ruhe ging viel zu
schnell vorbei.
Wie es weitergeht lest ihr dann in den nächsten
Tagen und ich kann euch versprechen, der zweite Teil wird wieder alles
haben: Drama, Verzweiflung, Kampf und Nervenzusammenbrüche...
Keine Kommentare:
Kommentar veröffentlichen
Kommentare werden auf verbotene Werbung geprüft, bevor sie veröffentlicht werden, das kann bis zu 48 Stunden dauern. Herabwürdigende Kommentare werden nicht veröffentlicht.