Wir tranken also einen Kaffee. Ich bekam einen Espresso, diesmal in
einem Pappbecher. Nun, das hätte mich schon stutzig machen müssen, aber
ich dachte mir nichts dabei. Außerdem gönnte ich mir eine Apfelschorle.
Sie trank ihren Kaffee in Rekordzeit. Normalerweise wartet sie bis der
Kaffee kalt ist, diesmal hatte sie ihren schneller leer als ich. Und
richtig, sie hatte schon vor dem Café einen neuen Plan geschmiedet, mich
in den Wahnsinn zu treiben.
Sie ließ mich unter dem Schirm im Freien sitzen und wollte "nur mal eben
schnell um die Ecke nach einem Schmuckladen" schauen. Ich war schon
froh, dass sie mich nicht zwang mitzugehen und stimmte erleichtert ihrem
Vorhaben zu. Sie verschwand also unweit des Cafés an der nächsten
Straßenecke. Ich trank meinen Espresso leer, und auch die Flasche
Apfelschorle leerte sich zusehends, als das Personal anfing, die Stühle
zu stapeln und die Schirme zu schließen.
Zu dem Zeitpunkt war sie schon eine gute Viertelstunde verschwunden. Ich
räumte also meinen Platz, nahm die noch halbvolle Flasche in die Hand,
sammelte die Einkaufstaschen mit ihrer bisherigen Beute zusammen und
spazierte in Richtung der Ecke, um die sie verschwunden war. Weit und
breit kein Schmuckladen. Ein Subway, ein Internetcafé, ein Tabakladen
und auch auf der anderen Straßenseite nur eine Dönerbude. Ich wanderte
also die Straße entlang bis zur nächsten Straßenecke. Weit uns breit
kein Zeichen meiner Co-Habitantin.
Leicht verärgert wanderte ich also zurück in Richtung meines
Ausgangsortes und schaute mich dort um, ob sie vielleicht irgendwo ums
Eck kam. Es dauerte nochmal gute 10 Minuten, bis sie aus einer völlig
anderen Richtung wieder zurück kam. Sie war die Straße lang, dann in die
Seitengasse abgebogen und über die parallel verlaufende Fußgängerzone
zurück gekommen. Verwundert darüber, dass von den Tischen und Stühlen
vor dem Café nichts mehr zu sehen war.
Nun, kein Wunder, denn es ging auch in den größeren Läden langsam auf
den samstäglichen Ladenschluss zu, einige kleinere Geschäfte waren
längst verschlossen und dunkel. Wir wanderten also wieder in Richtung
Kaufhof, denn ihr fehlten noch immer die passenden Ohrringe zu ihren
Hochzeitsoutfit und da sie vergeblich nach einem Modeschmuck-Laden
gesucht hatte, war sie der Verzweiflung nahe. Ich wies sie darauf hin,
dass ich beim Kaufhof einige Schmuckständer gesehen hatte.
Also nochmal quer durch das gesamte Geschäft, denn Schmuck findet man an
allen Enden und Ecken zwischen den Regalen verteilt. Die ersten 5
Ständer waren ein Reinfall. Dann mussten wir durch die
Lederwarenabteilung wo es 20% auf Handtaschen gab. Spontan fiel ihr ein,
dass sie als absolute Nicht-Handtaschen-Trägerin seit 12 Jahren auf den
Familienfesten immer mit der selben Handtasche zu sehen war. Jetzt eine
Clutch mit silberner Umhängekette wäre perfekt.
Aber die Handtaschen waren mehr von der Sorte
Hausstand-Transport-Vorrichtung. Die einzige Clutch war aus schwarzem
Lackleder mit Korkodilprägung und einer dermaßen scheußlichen Goldkette,
dass ich sowas nicht mal meiner Oma untergeschoben hätte. Man muss dazu
sagen, dass sie eine schlichte schwarze Handtasche besitzt. Eine
absolut perfekte, kleine Tasche in klassischer Form, die man sicher auch
in 20 Jahren noch immer zu kaufen bekommen wird, weil sie einfach das
perfekte Design für eine Handtasche darstellt. Ratet mal, wer ihr die
gekauft hat...
Ich rede also mit Engelszungen auf sie ein, bis sie mir endlich glaubt,
dass es okay ist, wenn sie die alte Tasche zum neuen Outfit tragen wird.
Bleiben noch immer die fehlenden Ohrringe. Ich hatte ihr da zu
schlichten, weißen Perlensteckern geraten immerhin war ja die Bluse
schon mit riesigen schwarzen Kristallen bestickt, da musste der
restliche Schmuck eher zurückhaltend ausfallen.
Kurz vor der schon in Sichtweite liegenden Türe in Richtung des Foyers
fanden wir dann einen Schmuckständer, der genau das bereithielt: kleine
Perlenohringe. Leider alle mit goldenen Steckern und Gold ist nicht ihre
Farbe. Ich atme tief durch, drehe einen zweiten Ständer um seine Achse
und da sind sie: kleine weiße Stecker aus Perlmutt, dreieckig mit einer
dunklen Spirale. Perfekt. Ich muss ihr aber erst die kitschigen, weißen
Rosenblütenstecker ausreden, bevor ich es so einrichten kann, dass sie
die Ohrringe findet.
Zufrieden kauft sie also die Ohrringe und wir machen uns auf den Weg zum
Parkdeck. Das Ticket zeigte eine Parkhausverweildauer von 7 Stunden und
34 Minuten an. Neuer Rekord. Ich denke mal, eure Männer werden solch
eine Zeit niemals erreichen, oder Mädels? Nun, ich lotste sie durch das
Parkhaus und wir wollten noch zu Baby2000, was ich vor etwa 3 Stunden
vorgescchlagen hatte, als sie vergeblich nach einer Zahndose für ihre
Täuflinge gesucht hatte.
Sie fuhr allerdings schnurstracks auf die Autobahn, was bedeutete, dass
wir erst noch im nächsten Ort drehen und zurück nach Aachen fahren
mussten, dann ab ins Gewerbegebiet, um dann festzustellen, dass der
Laden bereits seit mehr als einer Stunde geschlossen hatte. Sie setzte
gerade dazu an, mich deshalb anzumotzen, da erinnerte ich sie daran,
dass wir vor 3 Stunden natürlich noch einen offenen Laden vorgefunden
hätten.
Erstaunlicherweise gab sie ihren Protest sofort auf, ich denke mal es
lag an der aufkommenden Erschöpfung auch bei ihr. Also doch wieder auf
die Autobahn und ab nach Hause. Da durfte ich dann brav die Taschen aus
dem Kofferraum holen und mich nach Hause begeben, während sie sich noch
einmal zu Fuß zum naheliegenden real,- Markt aufmachte, der hatte ja
noch 2 Stunden geöffnet und ihr war das Shopping-Erlebnis wohl zu kurz
gewesen.
In Wahrheit ging es nur darum, zu schauen, ob wir die Geschenke nicht
vielleicht auch hier und zu einem vielleicht sogar günstigeren Preis
bekommen hätten. Das ist auch so eine Marotte von ihr. Wenn ich etwas
für mich gekauft habe, dann ist es okay. Sie muss dann noch mindestens 2
Wochen bei jeder Gelegenheit nachschauen, ob sie wirklich das beste
Angebot wahrgenommen hat und wehe wenn nicht... Sie kam also kurz nach
21 Uhr zu Hause an. Befriedigt, wieder einen Fang gemacht zu haben: es
gab die gewünschte Prinzessinnenkrone.
Mit diesem unerwarteten Erfolg endet also unsere Shopping-Odyssee. Oh,
bis ihr einfällt, dass sie noch andere Schuhe brauchen könnte...
Aber das soll sie mal brav alleine machen, wenn sie in Münster ist.
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